30.03.2024
Radfahrer nicht erwünscht
Györ-Töltéstava-Pázmándfalu-Kisbér-Mór
Derjenige, der irgendwo hier dem Wind die Tür auf- aber nicht wieder zugemacht haben muss, wird längst über alle Berge sein. Aber es zieht immer noch wie Hechtsuppe - so hieß das jedenfalls früher bei uns zu Hause meistens, aber hier halt nicht nur 15 Sekunden, sondern gleich den vierten Tag in Folge und mit dem Unterschied, dass ich es zuhause nie gemerkt habe während hier der Wind phasenweise alles mitreißt, was nicht niet- und nagelfest ist.
Also gleich noch ein Ruhetag, aber am Samstag geht es unwiderruflich weiter. Aber es beginnt zäh. Kaum bin ich richtig aus der Stadt raus, komme ich nach knapp zehn Kilometern an einem Kreisverkehr im Nirgendwo an ein Fahrräder-verboten-Schild - Mist! Ein Blick in die Karte (keine sinnvollen Alternativen verfügbar) und der geringe bzw. fast nicht vorhandene Verkehr stellen meine Bereitschaft, die Verkehrsregeln zu respektieren auf eine nennenswerte Probe. Ich widerstehe und entscheide mich, in die entgegengesetzte Richtung zu fahren und weit auszuholen (die dazwischen liegende Ausfahrt des Kreisverkehrs endet nach wenigen Metern mitten im Acker). Aber auch da ist Radeln verboten - das ist jetzt wirklich schräg, vor zwei Kilometern kam ich noch an einem Fahrrad-Wegweiser hierhin vorbei und jetzt geht es hier für Fahrräder nur noch zurück? Wie kann sowas denn passieren?
Über die Stummelausfahrt hat ein älterer Einheimscher seinen Kleinwagen im Feld geparkt und kommt gerade zurück. Er ist sehr hilfsbereit, aber leider verstehe ich nur zwei Straßennummern. Also muss ich ein Stück zurückfahren, mogle mich dann über eine Minigewerbegebietsstraße, die danach durch eine eher mittelattraktive ländliche Wohngegend führt und schließlich zum Wald- bzw. Feldweg mit teilweise riesigen Pfützen wird (ganz ohne Regen sind die sicher nicht entstanden…), zur nächsten Landstraße durch. Hier ist deutlich mehr Verkehr - und Radfahren ebenfalls nach rechts wie nach links verboten. Jetzt allerdings langt‘s dann sogar mir und ich ziehe die vier Kilometer bis zur nächsten Abzweigung, an der ich hoffe, meine Anwesenheitsberechtigung wiederherstellen zu können, recht sportlich durch - gut gegangen - allerdings von da aus ist der Weg zum angedachten Tagesziel in Mór (wo ich ausnahmsweise schon am Morgen meine Unterkunft gebucht habe) - mit dem unnötigen Schlenker von gerade eben knapp zehn Kilometer länger (und hügeliger noch dazu) - was ein Murks!
Am frühen Nachmittag komme ich an Wegweisern zum Weltkulturerbe Pannonhalma vorbei. Das sagt mir aber nichts und ich bin eh inzwischen spät dran, also weiter. Immerhin ist es landschaftlich ganz nett und in Kisbér gibt es eine Bäckerei mit einer sehr netten deutschsprechenden Verkäuferin sowie einen schön möblierten zentralen Platz.
Die nächsten zehn Kilometer sind recht einsam, weil man als Autofahrer immer wieder Richtung besagter Landstraße gelenkt wird, was ich konsequent ablehne. Allerdings auf den letzten zehn Kilometern nach Mór gibt es laut meiner Karte dann wirklich keine Alternative zur Landstraße mehr und selbst hier stehen wieder die blöden Schilder. Es hilft alles nichts, ich kann nicht anders als die zweite Ordnungswidrigkeit des Tages zu begehen (im Freien übernachten ist noch unattraktiver und wer weiß, vielleicht auch nicht ganz zulässig…).
Es ist schon duster, aber ich habe ja gutes Licht vorne wie hinten und eine stark reflektierende Weste, es geht auf glattem Asphalt die ganze Strecke leicht bergab und es ist nicht mehr allzu viel los. Also ab die Post, für die zehn Kilometer brauche ich eine knappe halbe Stunde, bin danach aber auch für den Rest des Tages (bzw. eigentlich mehr) ausreichend ausgepowert… Ich nehme die allererste Abzweigung in den Ort und habe das Gefühl, mich vor der bestimmt schon alarmierten Polizei quasi in’s Unterholz zu retten. Aber es bleibt zum Glück alles ruhig.
Noch schnell im Supermarkt (am Ostersamstagabend geöffnet!) ausreichend Getränke eingekauft und zur Unterkunft. Die nicht mehr ganz jugendliche Inhaberin wundert sich, wer da neben ihrer Treppe so lange rum macht, stellt sich dann aber als ausgesprochen gastfreundlich und pantomimisch begabt heraus. Wir haben trotz Sprachbarriere eine lustige Unterhaltung. Danach Dusche und Bett zumal die kommende Nacht eine Stunde kürzer ist (ich könnte das Gegenteil gut brauchen…).
Ich schaue nur noch schnell nach, was das Zusatzschild unter den kombinierten Fahrrad-Trecker-Pferdefuhrwerk-Verbotsschild bedeutet: kivéve Célforgalom = ausgenommen Zweckverkehr, was immer das genau heißen mag, aber ganz ohne jeden Zweck war ich ja nun eindeutig nicht da lang gefahren…
Ärgerlicher waren die heutigen Eskapaden, weil ich mit ein bisschen mehr Zeit sicher schon mal unterwegs nachgesehen hätte und auch die 3 km Umweg (plus 100 Höhenmeter) für Pannonhalma eingesetzt hätte: es ist der Legende nach nämlich der Geburtsort meines Namensheiligen, Martin von Tours (wobei eine Stadt ganz im Westen, die zu römischer Zeit genauso hieß dieses Ereignis ebenfalls für sich beansprucht) - da war ich also eindeutig nicht angemessen vorbereitet bzw. grundgebildet. Den gängigen Quellen nach scheint auch er ganz gut herumgekommen zu sein in seinem Leben (Ungarn, Frankreich, Worms, Mailand, Alassio (Riviera), Trier und scheinbar ständig auf Achse bzw. im Sattel). Nur in Südamerika ist er m.E. mit ziemlicher Sicherheit nie gewesen, weil es das ja im 4. Jahrhundert n. Chr. schlicht noch nicht gab… Man merkt: es ist spät geworden…